15. Juni 2011

Roy Chapman Andrews und das Königreich der Kreidezeitlichen Schädel

Moderne Pop-Kultur weiß zu berichten, dass einer der bekanntesten Abenteurer und Archäologen in der Filmgeschichte, Dr. Henry Walton Jones, Jr. - besser bekannt als Indiana Jones (der in den letzten Tagen seinen 30 Geburtstag feierte), auf verschiedene reale Naturforscher basierte, einer von ihnen der Abenteurer und Säugetierkundler Roy Chapman Andrews.

Abb.1. "Roy Chapman Andrews auf "Kublai Khan" während der Exkursion in Zentralasien, von ANDREWS 1921.

Roy Chapman Andrews (1884 -1960) war ein amerikanischer Abenteurer, Naturforscher, studierte Säugetierkundler und spätere Direktor des American Museum of Natural History in New York.
In früher Jugend finanzierte er sein Studium indem er seine Dienste als Tierpräparator, eine Kunst die er sich selber beigebracht hatte, anbot. Nach Abschluss versuchte er eine Stelle im Naturhistorischen Museum von New York zu ergattern, aber es standen keine freien Stellen zur Verfügung. Aber Andrews gab nicht gern kleine bei, eine Charaktereigenschaft die später immer wider zu Vorschein kommen wird. Seine Antwort zur Absage: er würde selbst die Böden im Museum wischen, wenn er dafür ins Museum rein könnte.
Überrascht von so viel Eifer wurde er tatsächlich als Hausmeister und Präparator angestellt. Jeden morgen wischte Andrews die Böden in der Museumsabteilung, Nachmittags assistierte er die Tierpräparatoren. Seine Begeisterung fiel bald positiv auf, und so wurde ihm schließlich eine Vollzeitstelle angeboten mit entsprechendem Gehalt.

Im Jahre 1907 wurde er auf seine erste Expedition geschickt. Ein Wal war auf den Strand von Long Island gestrandet, und das Museum erhoffte sich das Skelett bergen zu können. Andrew und ein Kollege entdeckten zu ihrem Leidwesen dass ein Sturm langsam aber unaufhörlich den Kadaver unter Sand und Schlick zu begraben drohte - zwei Tage lang kämpften sie gegen die eiskalte See, aber erst nach einer Woche konnten sie mit Hilfe von einigen Einheimischen das Skelett freilegen und in Sicherheit bringen.

Andrew besuchte China und Japan und entwickelte eine Leidenschaft für diese Länder. 1920 konnte er den berühmten Paläontologen Fairfield Osborn davon überzeugen, mehrere Forschungsexkursionen nach Zentralasien zu finanzieren - Andrew und besonders seine Finanzierer hofften in Asien fossile Reste von frühen Hominiden zu entdecken, und damit Afrika als Wiege der Menschheit zu diskreditieren (diese besondere Art des Rassismus war seinerzeit unglücklicherweise stark verbreitet).

Zwischen 1922 und 1939 führten Andrews und sein Team fünf Exkursionen in nahezu unbekanntes Gebiet durch. Die Wüste Gobi war ein riesieges gebiet, geplagt von Sand- und Schneestürmen, gefährliche Tiere, plötzliche Wetterumbrüche, Räuberbanden und eine unsichere politische Situation (1939 wurden weitere Expeditionen in die Gegend durch das gespannte Verhältnis zwischen China, der Mongolei und Russland unmöglich gemacht).


Abb.2. "Reliefkarte der Mongolei mit den Routen der zentralasiatischen Expeditionen, 1922-1930.", aus ANDREWS 1932.

Abb.3. "Kamel mit Autoreifen", aus Andrews 1932. In einer bis dahin noch nie gesehene Kombination führte Andrews die Expedition mit 3 Automobilen und 2 Lastwagen durch, die durch Kamelkarawanen mit Treibstoff versorgt wurden.

Eine der wichtigsten Entdeckungen der Expedition erfolgte durch Zufall - Chapman verlor in den eintönigen Ebenen die Orientierung. Als der Trupp anhielt um an einem militärischen Außenposten Informationen einzuholen, stolperte der Photograph der Expedition, John B. Shackelford, beinahe zufällig an einer Kliffkante auf mehrere fossile Knochen. Den Forschern blieben nur wenige Stunden um die Entdeckung zu genießen, vor Wintereinbruch musste die Expedition zurück sein, es wurde aber beschlossen die Stelle im nächsten Jahr nochmals aufzusuchen. Die rot leuchtenden Klippen wurden von Andrews "Flaming Cliffs" getauft. In den Sedimenten aus der Oberkreide entdeckten die Forscher zahlreiche neue Dinosaurierarten, und als Besonderheit gut erhaltenen Knochen und Schädel von mesozoischen Säugetieren, Arten von denen bis dahin überhaupt oder nur bruchstückhafte Fossilen bekannt waren.

Abb.4. "The Flaming Cliffs of Djadokhta" (Süd-Mongolei), Typlokalität der Djadoktha Formation aus der Oberkreide, aus BERKEY & MORRIS 1927.

Die Expedition brachte auch die bis dahin besten Fossilien von Dinosaurier-Eiern zurück, die anscheinend in Nestern abgelegt worden waren.

Abb.6. "Das erste Nest von Dinosaurier-Eiern, entdeckt von Georg Olsen bei Shabarakh im Jahr 1923" (ANDREWS 1932). Fossile Dinosaurier-Eier waren entgegen der Behauptung von Andrews bereits einige Jahre vorher von der französischen Riviera beschrieben worden, allerdings war die Qualität und Quantität aus der Gobi unerreicht.

Roy Chapman Andrews war ein begabter Geschichtenerzähler und er förderte sein Bild als Abenteurer in der Öffentlichkeit, so z.B. in seinem Buch "This Business of Exploring" (1935).

Es gibt verschiedene mögliche Anspielungen in den Indiana Jones-Filme die an das Leben von Roy Chapman Andrews erinnern. Wir treffen Indiana Jones zum ersten Mal in "Jäger des verlorenen Schatzes" (1981) in Nepal -Zentralasien. Der Filzhut und der 38 Colt sind Erkennungszeichen von Indy - Andrews wird auf vielen Expeditionsphotos mit Schlapphut gezeigt, und er liebte es zu jagen und besaß einen 38 Colt.
Produzent G. Lucas und Regisseur S. Spielberg haben einen direkten Zusammenhang aber nie bestätigt - die Figur Indiana Jones wurde hauptsächlich von Fernsehserien aus den 30´ und 40´Jahren beeinflusst. Es ist aber nicht ausgeschlossen dass Abenteuerautoren und Fernsehproduzenten von den Büchern von Andres und anderen Forschern des frühen 20´Jahrhunderts beeinflusst wurde - in diesem indirekten Weg wurde Roy Chapman Andrews vielleicht tatsächlich Teil des Indiana Jones Universum.


Literatur:

ANDREWS, R.C. (1921): Across Mongolian Plains - A naturalists account of China's "Great Northwest". D. Appleton & Company: 276
ANDREWS, R.C. ed. (1932): The New Conquest of Central Asia - A narrative of the explorations of the Central Asiatic Expeditions in Mongolia and China, 1921-1930. Natural History of Central Asia Vol.I.; The American Museum of Natural History New York: 678
ANDREWS, R.C: (1935): This Business Of Exploring. G.P. Putnam´s Sons, New York: 288
BERKEY, C.P. & MORRIS, F.K. (1927): Geology of Mongolia - A reconnaissance report based on the investigations of the years 1922-1923. Natural History of Central Asia Vol.II; The American Museum of Natural History New York: 474
GALLENKAMP, C. (2001): Dragon Hunter - Roy Chapman Andrews and the Central Asiatic Expeditions. Penguin Group, New York: 344
NOVACEK, M. (2002): Time Traveler: In Search of Dinosaurs and Ancient Mammals from Montana to Mongolia. Farrar Strauss and Giroux: 352

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