17. Januar 2012

Das Erdbeben von Kobe

Am frühen Morgen des 17. Januar 1995, um 5:46, wurde die japanische Hafenstadt  Kobe von einem starken Erdbeben aus dem Schlaf gerissen.  Die Infrastruktur der Stadt wurde generell als erdbebensicher angesehen, allerdings starben mehr als 6.000 Menschen an diesem Tag. 

Zwar liegt die Subduktionszone der Philippinischen Platte vor der Küste, allerdings so weit entfernt von Kobe das eine unmittelbare Gefährdung ausgeschlossen wurde. Das Epizentrum des Erdbebens von Kobe lag tatsächlich entlang eines lokalen Störungsystems, unter der Meerenge von Akashi in einer Tiefe von nur 10km. Diese geringe Tiefe erklärt die verheerende Wirkung dieses (für japanische Verhältnisse) normalen Erdbebens mit einer Magnitude von 7.2 - die Energie wurde durch den Festgesteinsockel bis zur Stadt weitergeleitet, die teilweise auf gering verfestigte alluviale und marine Sedimente gebaut wurde. Diese wassergesättigten Böden verflüssigten sich und ganze Gebäude kippten einfach um. Vor allem im Hafenbereich - eine künstlich aufgeschüttete Insel - rutschten ganze Bereiche ins Hafenbecken.

Die meisten Opfer waren allerdings durch den Zusammenbruch der traditionellen japanischen Wohnhäuser zu beklagen. Diese Holzkonstruktionen tragen schwere Ziegeldächer,  bei Erdbeben schwingen diese wie ein Pendel hin und her und die Holzpfeiler brechen, Einwohner werden vom schweren Dach erschlagen.

Das Erdbeben von Kobe war auch eine der teuersten Naturkatastrophen der Neuzeit, mit Schäden von 3,5 Milliarden US-Dollars, Kosten durch den Ausfall der Infrastruktur und vor allem des internationalen Containerhafens nicht mitgerechnet. 


Literatur:

KOKETSU, K.; YOSHIDA, S. & HIGASHIHARA, H. (1998): A fault model of the 1995 Kobe earthquake derived from the GPS data on the Akashi Kaikyo Bridge and other datasets. Earth Planets Space, 50: 803-811
WALKER, B. (1982): Earthquake. Planet Earth. Time Life Books: 154

12. Januar 2012

Steno und die Anfänge der Stratigraphie

Einzelne Philosophen und Gelehrte hatten schon in der Antike die Schichtung von bestimmten Gesteinen bemerkt und Spekulationen darüber angestellt: für griechische Philosophen war klar das Land und Meer im Laufe der Zeit kamen und gingen und Spuren in Form von Fossilien in den Schichten hinterließen. Arabische Gelehrten erklärten die Schichtung sogar als Ergebnisse der Erosion und Ablagerung von Bruchstücken von Gesteinen.
Aber diese Ideen wurden nur von einigen wenigen Personen vertreten oder in kleinen Gruppen diskutierte - eine eigen Wissenschaft die sich mit den Schichten der Erde beschäftige entstand daraus nicht. 
Auch der Renaissance -Gelehrte und Künstler Leonardo da Vinci (1452-1519) studierte Fossilien und Schichten. Er erkannte die organische Natur der Fossilien und erklärte folgerichtig dass die Schichtflächen Zeiträume mit unterbrochener Sedimentation darstellen. Allerdings behielt da Vinci diese Wissen für sich und wendete es nur in seinen Bildern an (z.B. im Hintergrund der Felsgrottenmadonna, in der die Klippen doch relativ natürlich  wirken und auch ein die Sedimentationsebene eines Flusses zu erkennen ist).
 

Der Arzt und Gelehrte Georgius Agricola, oder Georg Bauer (1494-1555), war der erste der eine frühe Schichtenkunde in seinem "De Re Metallica" (1556) beschrieb - er führte an wie Vererzungen im Gebirge verlaufen und auch wie man das Erz abbauen kann. Allerdings konnte er nicht erklären wie diese "Schichtung" entstanden war.

Abb.1. Alles gute Niels Stensen - 11. Januar 2012.

Erst der dänische Anatom Niels Stensen (1638-1686), auch Nicholaus Steno, erstellte eine Theorie der Schichtenkunde auf. Er verfasste eine Reihe von Regeln mit denen die Abfolge der Schichten beschrieben und erklärt werden konnte - vor allem führte er das Konzept von Zeit in eine stratigraphische Abfolge ein.

-    Fossilien sind die Überreste von einst lebendigen Wesen.

-    Ungestörte Gesteinsschichten sind in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, mit der ältesten Schicht zuunterst und der jüngsten Schicht obenauf.

-    Gesteinsschichten lagern sich stets horizontal ab, erst durch spätere Störungen können sie  verlagert oder steil gestellt werden.

-    Eine Schicht erstreckt sich unbeschränkt in horizontaler Richtung, fall sich nicht ein Hindernis im Weg befindet. Dieses Gesetz ermöglicht es Schichten an verschiedenen Seiten eines Tales miteinander zu korrelieren.

-    Falls ein Körper oder eine Diskontinuität die Schichtung quert, muss diese Schicht älter sein bzw. der Körper oder Diskontinuität jünger.

Steno erklärt geneigten Schichten (die im Widerspruch zu seinem Prinzip der ursprünglichen Horizontalität liegen) als Ergebnis von Einbrüchen von großen unteririschen Erosionshohlräumen. In seiner ursprünglichen Beschreibung stellt er diese Phasen nebeneinander in einem großen Zyklus dar - Ablagerung und Erosion sind wiederkehrende Ereignisse die sich immer und immer wieder abspielen - ein erster Hinweis auf die "Tiefenzeit der Geologie."

Abb.2. Die Erosions- und Ablagerungsphasen erklären die Schichten der Erde, nach Niels Stensen "Prodromus" (1669).

Literatur:

GOULD, S.J. (1988): Time´s arrow Time´s cycle Myth and Metaphor in the Discovery of geological Time. Harvard University Press: 240
KOUTSOUKOS, E.A.M. (2005): Applied Stratigraphy. Topics in Geobiology Vol.23.: 488
LAZZARI, C. (2000): Le Scienze della Terra nel Veneto dalle origini ai giorni nostri – 8 secoli di studi, scoperte, progressi e leggende. Società Veneziana di Scienze Naturali: 171
VAI, G.B. (2007): A history of chronostratigraphy. Stratigraphy, Vol.4. (2/3): 83-97

6. Januar 2012

100 Jahre Kontinentalverschiebung

Am 6. Januar 1912 stellte der Meteorologe Alfred Wegener in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel "Die Heraushebung der Großformen der Erdrinde (Kontinente und Ozeane) auf geophysikalischer Grundlage" seine Arbeitshypothese über einen Großkontinent namens Pangaea dar, dessen verdriftete Bruchstücke die modernen Kontinente bilden. Wegener war nicht der erste der einen ehemaligen Superkontinent vermutete. Die passenden Küstenformen von Afrika und Südamerika waren schon kurz nach der Veröffentlichung der ersten geographischen Karten  der neuen Welt aufgefallen. In 1658 publizierte der Mönch Francois Placet ein Büchlein in dem er das Auseinanderbrechen eines Kontinents während der biblischen Flut vermutete, der mittlere Teil zwischen Amerika und Afrika versank dabei als sagenhafte Insel Atlantis in den Fluten.
In 1858 publizierte der Französische Naturforscher Antonio Snider-Pellegrini die erste Karte eines Ur-Kontinents, allerdings nahm auch er an das dieser Kontinent durch die Wucht der biblischen Flut zerrissen wurde.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Vorstellungen dieses hypothetischen Kontinents verfeinert, allerdings fehlte stets der Mechanismus um das Zerbrechen und das Verdriften von ganzen Kontinenten zu erklären. In 1889 und 1909 vermutete der Italiener Roberto Mantovani das sich die Erde langsam ausdehnt, in 1908 schlug der Amerikanische Amateur-Geologe Frank B. Taylor vor das der Mond mit seiner Gravitation die Kruste der Erde in Falten legen würde und Kontinente hinter sich her zieht. Der österreichische Geologe Otto Ampferer spekulierte in 1906 mit seiner "Unterströmungstheorie" über Magmaströmungen die Teile der Kruste mit sich in den Erdmantel ziehen würden, und dabei zur Faltung der Alpen führten. Ampferer konnte allerdings nicht erklären woher die Energie für solche Bewegungen stammt und wird später die Verschiebungstheorie von Wegener ablehnen (Wegener vermutet Gravitations- und Zentrifugalkräfte als Motor der Verschiebung der Kontinente).




Wegeners Verdienst ist die Idee eines Superkontinents mit zahlreichen Hinweißen aus der Biologie, Paläontologie, Geologie, Paläoklimatologie und Geophysik zur Diskussion in der Wissenschaft gebracht, und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben (der große Lovecraft würdigt Wegeners Hypothese in seinem "Berge des Wahnsinns"). Wegener konnte allerdings wie seine Vorläufer nicht schlüssig erklären wie Kontinente sich bewegen könnten, auch weil er davon ausging das diese wie Eisschollen durch den basaltischen Ozenaboden pflügen - ein Kritikpunkt (unter vielen) der Kontinentaldrift war, dass sich eben keine Verstauchungen, verursacht durch die treibenden Kontinente,  im Ozeanboden finden lassen.

Wegener stirbt 1930, die Idee der Kontinentaldrift führt zunächst ein Schattendasein, in abgeänderter Form durch zahlreiche Feldgeologen lebt sie weiter. Erst 30 Jahre später werden Messungen des Ozeanbodens denn nächsten Schritt einleiten.



Links:

BRESSAN, D. (06.12.2012): January 6, 1912: Continental Drift! 
RIES, G. (06.01.2012): Happy Birthday, Kontinentaldrift.
scinexx (Hrsg.) (06.01.2012): 100 Jahre Plattentektonik - Alfred Wegener und seine Theorie.


Literatur:

MILLER, R. & ATWATER, T. (1983): Continents in Collision. Time-life books, Amsterdam: 176

3. Januar 2012

Geokalypse Now



Ein Artikel des "Daily Mail", der gestern veröffentlicht wurde, stellt die Frage "Ob ein Supervulkan nur 600* Kilometer entfernt von London bereit ist auszubrechen?" Wie Andrew Alden auf seinem Blog "Geology.About" bemerkt: wenn eine Schlagzeile schon in Form einer rhetorischen Frage daherkommt kann es nur eine Antwort geben: NEIN!
Der vermeintliche Supervulkan ist in diesem Fall der Laacher See, ein Kratersee der sich ungefähr 40 km südlich von Bonn innerhalb des rheinischen Grabenbruchsystems findet. Der See bildete sich als die ehemalige Magmakammer des Laacher See Vulkans zusammenbrach und die Caldera sich mit Wasser füllte.
Aufgrund von durch Aschablagerungen verschütteten Pflanzen und radiometrischen Altersdaten (C14; 40Ar/39Ar) wird das Alter des Ausbruches mit 12900+-560 B.P. angegeben (Dendrochronologie ergab ein Alter von 12.916 B.P., publizierte Daten nach BAALES et. al. 2002). Die Pflanzenfossilien lassen auch vermuten, dass der Ausbruch im Spätfrühling - Frühsommer einsetzte.
Rezentvergleiche und die geringe Erosion der Ascheschichten (es wurden Abdrücke von Regentropfen und Tierspuren, die in der feuchten Asche erhalten blieben, gefunden) lassen auf eine Ausbruchsdauer von einigen Stunden bis 3 Wochen bzw. wenigen Monaten schließen. Der gesamte Vulkanismus der Eifel ist sicherlich um einige Millionen Jahre älter. Allerdings gibt es keine Hinweiße darauf dass das Gebiet, wie im Daily Mail Artikel behauptet, periodisch aktiv ist und daher, nach 10.000 Jahren, "wieder einmal" bereit ist auszubrechen. Der Vulkanologe Erik Klemetti stellt auf seinem Blog "Eruptions" auch klar, das die angebliche wachsende vulkanische Tätigkeit - vor allem das Ausströmen von Gasen wie Kohlendioxid im See (siehe Video mit Mofetten am Ufer des Laacher Sees) - seit Jahrhunderten besteht und tatsächlich nichts Ungewöhnliches für die Gegend ist.



Die Eifel mit ihren vielen Kratern und Maaren hat schon immer die Fantasie von Geologen beschäftigt - handelt es sich doch um eines der größten "Vulkangebiete" Mitteleuropas und die alten vulkanischen Ablagerungen beweisen das große Eruptionen tatsächlich stattfanden.
Kein Wunder das auch der Geologe Ulrich C. Schreiber in seinem Thriller "Die Flucht der Ameisen - Eine Geokalyptische Vision" (2006) das Szenario eines gewaltigen Ausbruch hier ansiedelt. Ein Vulkan der in Island ausbricht ist zwar auch faszinierend, aber eine Bedrohung mitten in Siedlungs- und Industrieraum Europas steigert nun mal die Spannung.

- Der fiktive drohende Vulkanausbruch kündigt sich durch Erdbeben, Gasaustritte und verrückt gewordene Ameisen, sowie thermischen Anomalien an, Phänomene die teilweise tatsächlich zur Prognose von steigender Vulkantätigkeit genutzt werden.
- Der fiktive Ausbruch ist begleiten von Pyroklastischen Strömen und schleudert zuerst große Mengen Asche in die Atmosphäre.
Auch bei dem prähistorischen realen Ausbruch kam es zunächst zu einer heftigen explosiven Ausbruchstätigkeit. Durch den Kontakt des aufsteigenden Magmas mit Grundwasser bzw. Oberflächenwasser kommt es zu heftigen Dampfexplosionen (sogenannte phreatomagmatische Eruptionen), die den Krater freisprengten und Feinmaterial hoch in die Atmosphäre schleuderten.
Das gesamte ausgeschleuderte Material wird aufgrund der Verbreitung und der gemessenen Schichtmächtigkeit auf über 20 Kubikkilometer geschätzt, daher der Vergleich im Daily Mail Artikel mit dem rezenten Vulkanausbruches des Pinatubos im Jahre 1991 auf den Philippinen. Fast 98% des Aschematerials gingen in unmittelbarer Umgebung der Caldera nieder, der Feinanteil wurde jedoch bis in die Stratosphäre geschleudert und dort in die vorherrschende Windrichtung über beinahe ganz Mitteleuropa verfrachtet (SCHMINCKE et. al. 1999). Die Laacher See Tephra-Schicht ist daher auch ein wichtiger Markerhorizont in europäischen Quartär-Sedimenten.

Abb.1. Die Laacher See Tephra als graue Schicht in weißen Seekreiden, wie sie in einem Bohrkern aus dem französischen See Lautrey gefunden werden kann.

- Es kommt danach auch zur Bildung von Spalten aus denen große Mengen von dünnflüssiger Lava ausströmen, die im Roman den Rhein blockieren und ein Seebecken bilden - ein See der droht auszubrechen und Millionen Menschen gefährdet. Tatsächlich bildete sich während des explosiven Laacher See Ausbruches ein Damm, allerdings aus Ignimbriten und Pyroklastischen Strömen, der die Mosel und der Rhein zum Neuwied-Rhein-See aufstaute. Seesedimente werden hier von chaotischen Sedimenten abgelöst die auch einen Seeausbruch vermuten lassen, allerdings ist nicht klar wie katastrophal dieser Ausbruch tatsächlich war.

Schreiber nutzt zwar als Geologe wissenschaftliche Erkenntnisse, aber als Buchautor nimmt er sich natürlich auch Freiheiten. Der Verlauf des Ausbruches ist zwar insgesamt plausibel, aber zeitlich ziemlich übertrieben. Der Vulkan "erwacht" plötzlich innerhalb weniger Monate um innerhalb von Tagen gewaltige Explosionen zu verursachen. Noch Monate danach kommt es zu gewaltigen Lavaflüsse die ganze Täler überfluten.
Aber selbst Schreiber stellt klar - im Gegensatz zu sensationsgeilen Reportern - das es zurzeit keine Hinweiße oder außergewöhnliche vulkanische Aktivität in der Eifel gibt. Ein geologisches Risiko für eine kurzfristige Eruption besteht zwar, aber wer Geologen kennt sollte eigentlich wissen, dass sie in Millionen von Jahren denken.

* eigentlich sind es um die 500 Kilometer

Literatur:

SCHMINCKE, H.S.; PARK, C. & HARMS E. (1999): Evolution and environmental impacts of the eruption of Laacher See Volcano (Germany) 12,900 a BP. Quaternary International 61: 61-72
BAALES, M.; JÖRIS, O.; STREET, M.; BITTMANN, F.; WEININGER, B. & WIETHOLD, J. (2002): Impact of the Late Glacial Eruption of the Laacher See Volcano, Central Rhineland, Germany. Quaternary Research 58: 273-288