20. August 2012

Berge des Wahnsinns

"Berge des Wahnsinns" ist eine Horror/Science-Fiction Fortsetzungsgeschichte die 1936 zum ersten Mal in der Zeitschrift "Astounding Stories" veröffentlicht wurde. Geschrieben wurde die Novelle bereits fünf Jahre vorher vom Gelegenheitsautor H.P. Lovecraft  (der just am 20. August 1890 geboren wurde).
Die Handlung: Um etwa 1930 ist Geologe William Dyer einer der wenigen Überlebenden einer gescheiterten biologisch-geologisch Expedition zum Südpol. Zunächst höchst erfolgreich, entdeckt ein kleiner Spähtrupp  der Expedition eine Gebirgsdecke gewaltiger Ausmaße, bei weitem höher als der Himalaya, mitten in der Eiswüste des antarktischen Kontinents - regelrechte Berge des Wahnsinns. Rasch wird ein provisorisches Lager aufgestellt, wobei noch bemerkenswertere Entdeckungen gemacht werden - in einer Höhle werden Fossilien unbekannter Herkunft udn Alters ausgegraben. Doch bei einem Schneesturm geht der Kontakt zum Spähtrupp verloren.  William Dyer erreicht das Basiscamp, findet aber nur Verwüstung und Tod vor - die Suche nach was dort gewütet hat, führt ihn jenseits den Bergen des Wahnsinns…

Lovecraft war von kränklicher Natur, so dass er nicht die reguläre Schule besuchen konnte und trotz Liebe zur Wissenschaft ihm ein Universitätsstudium verwehrt blieb, allerdings konnte er auf eine reiche Buchsammlung zurückgreifen - besonders beschäftigte er sich mit Astronomie und Geologie.
Als einer der ersten Autoren der klassische Gruselgeschichten des 18/19 Jahrhunderts mit Elementen der Science-Fiction des 20 Jahrhunderts verband, legte Lovecraft wert darauf, dass sein fiktiven Protagonisten mit den neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft zu seiner Zeit vertraut waren. So "zitiert" Dyer in "Berge des Wahnsinns" mehrmals die Richard Evelyn Byrd-Expedition, die in den Jahren 1928-1930 geologische Untersuchungen in der Antarktis durchführte. Die letzten weißen (Küsten-)Flecken der Antarktis waren erst 1929-1931 von einer Britisch-Australischen-Neuseeländischen Expedition kartiert worden, große Teile des Inneren - wie auch die Geologie und Paläontologie - des Kontinents waren aber noch unbekannt. Erste Fossilien (versteinertes Holz) waren in den Jahren 1892-1893 auf Seymour Island durch eine Norwegische Expedition gesammelt worden. Der erste Geologe in der Antarktis war der Schwede Otto Nordenskjöld, der zwischen 1902-1903 Pflanzenfossilien des Jura entdeckte und auch um einige Millionen Jahre jüngere Pinguinfossilien. Die Pflanzenfossilien überzeugten Nordenskjöld davon, dass in der Antarktis einst ein tropisches Klima geherrscht hatte.
Auch Lovecraft beschreibt die Entdeckung von Pflanzenfossilien und stellt fest, dass die Berge des Wahnsinns nicht immer eisbedeckt gewesen sein konnten. Lovecraft beschreibt auch Tierfossilien, darunter Archaeocyathiden - schwamm-ähnliche Organismen des Kambriums (500 Millionen Jahre alt). Für Lovecraft waren diese Fossilien, die in der Geschichte teilweise sehr detailliert beschrieben werden, ein wesentlicher Teil seines Horrorromans  - sie sollten dem Leser den Abgrund der Zeit, dem er gegenüberstand, verdeutlichen. Genau aus diesem Abgrund war aber etwas zu uns gekommen - etwas tödliches - das selbst Dyer/Lovecraft nur ansatzweise zu nennen wagt -"die großen Alten"!

Lovecraft war auch sehr an der - zu seiner Zeit heftig diskutieren - Kontinentaldrift interessiert. Er war über die neusten Entwicklungen informiert und scheint gegenüber dieser Theorie sehr aufgeschlossen gewesen zu sein. So schreibt er in "Berge des Wahnsinns" wörtlich, als Dyer in einer toten Stadt eine unheimliche Karte der frühen Erde entdeckt:

"Eine andere Karte zeigt eine riesige, trockene Landmasse um den Südpol herum…[]… Spätere Karten, auf denen zu sehen ist wie die Landmasse zerbricht und auseinanderdriftet, und einzelne ihrer abgelösten Teile nach Norden wandern, bestätigen in verblüffender Weise die Theorien der Kontinentalverschiebung, die in jüngster Zeit von Taylor, Wegener und Joly aufgestellt wurden"

Literatur:

LONG, J. (2003): Mountains of Madness – A Scientist’s Odyssey in Antarctica. Jospeh Henry Press, Washington: 252

11. August 2012

Mars – die zweite Erde?

Mars - eine fremde Welt, die doch bei genauerer Betrachtung anscheinend überraschende Gemeinsamkeiten mit der Erde aufweist - angefangen bei der Rotation, die durch den britischen Astronomen William Herschel aufgrund Beobachtungen in den Jahren 1777-1783 auf 24 Stunden 39 Minuten und 21,67 Sekunden festgelegt wurde.

Erst 1638 wurden erste, vorläufige Zeichnungen der Marsoberfläche dank verbesserter Fernrohre möglich. Die ersten wissenschaftlich brauchbaren Karten wurden 1645 vom niederländischen Astronomen Christiaan Huygens hergestellt - eine große dunkle Fläche die fast den gesamten Planeten einnahm bezeichnete er als "Sanduhrmeer". Es war dann wiederum William Herschel der zwei weiße Flecke an den Polen als Eiskappen deutete, die im Laufe des Jahres größer und kleiner wurden. Es schien dass auf den Mars unterschiedliche Jahreszeiten herrschen und dass die polaren Eiskappen je nach Jahreszeit anwuchsen oder schrumpften. 
Im 19. Jahrhundert waren die Fernrohre soweit entwickelt, dass immer genauere Karten von Mars veröffentlicht wurden - der französische Astronom Camille Flammarion wertete mehr als 2.600 Marszeichnungen aus um 1876 eine besonders detaillierte Karte zu veröffentlichen. Flammarion zählte 2 Ozean, 22 Meere und 4 große Kanäle die 5 große Kontinente voneinander trennten. Laut Flammarion war der Mars der Erde so ähnlich, dass ein zufälliger Besucher keine großen Unterschiede zwischen den zwei Planeten bemerken würde.

"Bäche, die in ihrem von der Sonne vergoldeten Kieselbett davoneilen; Flüsse, welche die Ebenen durchziehen oder im Grunde der Täler als Wasserfälle rauschen; Ströme, die langsam durch weite Landschaften der Meere zueilen."

Abb.1. Eine Mars-Karte aus FLAMMARION (1884): "Les terres du Ciel"

Eines der berühmtesten Kapitel in der Erforschung des Mars wurde vom Mailänder Astronomen Giovanni Virgino Schiaparelli (1835-1910) verfasst. 1859 hatte der italienische Astronom und Jesuitenpater Angelo Secchi reguläre Strukturen auf den Mars beschrieben, die er "canali" nannte - eine etwas zweideutige Bezeichnung die zwar künstliche Kanäle meinen kann, aber auch auf einfache enge Flussläufe oder Rinnen zutrifft. Schiaparelli übernahm diese Bezeichnung, allerdings legt er sich nicht wirklich fest ob sie künstlicher oder natürlicher Natur sind und beschreibt die Formen auf den Mars zunächst schlichtweg. Er fasst sie als Furchen oder Niederungen auf, durch denen Wasser in die verschiedenen Meer strömen konnte bzw. von den Eiskappen an den Polen zum Äquator gelangt, er bemerkt am Ende:

"Es ist nicht notwendig, anzunehmen, dass es das Werk intelligenter Wesen sei; und trotz des geometrischen Aussehens dieses ganzen Systems sind wir geneigt zu glauben, dass es in der Evolution des Planeten entstanden ist, genauso wie auf Erden der Ärmelkanal oder der vom Mozambique."

Schiaparelli beobachtete als einer der Ersten eine anscheinende Verdoppelung der Marskanäle zu bestimmten Zeiten (eine Beobachtung, die wie er selbst zugab, nicht jeder nachvollziehen konnte). Er vermutete dass es sich dabei um Überschwemmungsgebiete handelte, die durch die Schneeschmelze an den Polen überschwemmt wurden.

Schiaparelli war der Annahme dass der Mars bewohnbar (oder sogar bewohnt war) nicht gänzlich abgetan - eine Möglichkeit die damals nicht nur als möglich, sondern sogar als wahrscheinlich galt. 
Im Jahre 1895 veröffentlichte er schließlich einen Artikel - "Das Leben auf dem Mars" - in dem er offen über diese Möglichkeit spekulierte (allerdings nahm er seine eigenen Spekulationen nicht allzu ernst). Er ging sogar so weit die Gesellschaftsstruktur der Marsianer aufgrund der Bauweise der Marskanäle zu beschreiben. Die anscheinende Verdoppelung bzw. die breiter werdenden Marskanäle waren gewaltige Bewässerungssysteme, die nicht nur eine entsprechend entwickelte Technologie, sondern auch eine globale (und daher sozialistische) Regierung die ein solches Mammutwerk kontrollieren konnte, voraussetzte.

Abb.2. Die berühmt-berüchtigten Mars-Kanäle laut Schiaparelli, aus FLAMMARION 1881.

Der Amerikaner Percival Lowell war einer der größten Verfechter der Hypothese von Mars als bewohnter Planet bzw. des Kampfes seiner Bewohner gegen die herrschende Dürre auf den Mars. Ein Kollege von Lowell - William Henry Pickering - stellte richtigerweise fest, dass die dunklen Gebiete auf den Mars keine Meere sein können, da sie keine Reflektion wie Wasser zeigten und auf verschiedenen Ebenen lagen. Pickering vertrat die Meinung, dass es sich um eine Art von Vegetation handelte.
Die periodischen Veränderungen ließen vermuten, dass diese Vegetation zu bestimmten Zeiten abstarb und später nachwuchs - die Marsianer - so Lowell - versuchten die Vegetationsperiode zu verlängern, indem sie mittels einem ausgeklügelten Kanalsystem Wasser über den Planeten verteilten.

"Die Austrocknung des Planeten schreitet mit Sicherheit so weit fort, bis überall auf seiner Oberfläche kein Leben mehr aufrechterhalten bleibt. Langsam, aber sicher wird es mit der Zeit ausgelöscht werden. Wenn der letzte Funken auf dieser Weise erstickt ist, wird der Planet als eine tote Welt durch den Weltraum rollen und seine evolutionäre Laufbahn wird für immer beendet sein."

All diese Spekulation beruhten auf die Beobachtungen, die von der Erde aus gemacht worden waren - selbst die größten und besten Teleskope konnten allerdings nur verschwommene Bilder liefern. Auf den Mars waren große Veränderungen der Oberfläche sichtbar, es schien möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass es sich um biologische Aktivität handeln könnte. Theoretische Gegenbeweise, wie von Alfred Russel Wallace der nachwies dass es auf den Mars viel zu kalt für flüssiges Wasser war, hatten es schwer mit den  unheimlich-geheimnisvollen Karten und Abbildungen, die von Mars veröffentlicht wurden, mitzuhalten.

Erst 1964 sollte eine Sonde die ersten Nahaufnahmen vom Mars senden, ein Moment der unser Bild von Mars für immer verändern sollte…

Literatur:

BASALLA, G. (2006): Civilized Life in the Universe: Scientists on Intelligent Extraterrestrials. Oxford University Press: 233
OESER, E. (2009): Die Suche nach der zweiten Erde - Illusion und Wirklichkeit der Weltraumforschung. Wissenschaftliche Buchgesellschft-Darmstadt: 208