31. Dezember 2014

Achat-Geode - Abstraktion in Quarz

Die Bezeichnung Chalcedon leitet sich von der antiken griechischen Handelsstadt Kalzedon ab, alte Synonyme wie Jasponyx, Quarzin und volkstümlich Milchstein lassen schon auf die Zusammensetzung (Kieselsäure in Form von mikrokristallinem Quarz) als das Aussehen dieses beliebten Halbedelsteins schließen.
 
Chalcedon entsteht durch Absatz aus kieselsäurereichen Thermalwässern in Blasenhohlräumen oder Spalten. Charakteristisch sind die Bänderungen, die von Braun zu Grau reichen können, ein solches kugelförmiges Handstück wird auch einfach als Achat-Geode bezeichnet. 

Abb.1. "Adlersteine von Mutzschen darin weise durchsichtige viereckichte Flüsse" (unter "flüsse" sind Quarz und Calcit zu verstehen, Aetiten oder Adlersteine sind Geoden). Erste bildliche Darstellung einer Achatdruse mit Quarzkristallen aus sächsischen Rhyolithen, aus dem Werk " Memorabilia Saxoniae Subterraneae i.c. Des Unterirdischen Sachsens seltsame Wunder der Natur", von Gottlob Friedrich Mylius (1675-1726).

Die Bänderungen können den Konturen des Hohlraums folgen, oder aber auch waagrecht verlaufen. Es gibt keine einheitliche Bezeichnung für diese Textur - Uruguay-Struktur (da viele Achate in den Paraná-Flutbasalten, verbreitet in Südbrasilien und Uruguay, gefunden werden), Lagen-Achat, gebänderter Achat sind allerdings gebräuchliche Beschreibungen. PETRÀNEK 2006 schlägt eine vereinheitlichte Nomenklatur mit zwei  grundlegende Typen vor - Gravitationsbänderung und Adhäsionsbänderung.

- Gravitationsbänderung verläuft waagrecht und bildet sich durch die Sedimentation am Hohlraumboden der ausgeflockten Kieselsäure.  Der Schwerkraft folgend, umfasst diese Bänderung deshalb oft den unteren Bereich von Geoden.

- Adhäsionsbänderung folgt den Konturen des Hohlraums. Bei  Lösungen, die wenig Kieselsäure gelöst haben, bilden sich keine großen Kieselsäureflocken, sondern der Quarz scheidet sich lagenweise als eine dünne Tapete aus. Zumeist tritt diese Bänderung spät in der Bildung einer Geode auf.

Beide Typen von Bänderungen können in einem Handstück vorkommen, oft durch eine scharfe Grenze getrennt.

Abb.2. Querschnitt durch Achat-Geode mit zwei Phasen von Bänderung.

Abb.3. Ausschnitt mit Achat-Keim-Spärolith, der Beginn der Achatgenese. Typischerweise folgt auf eine homogene Wandauskleidung des Hohlraums der gebänderte Chalcedon. Von Keim-Punkten aus wachsen lagenweise zunächst halbkugelförmige Sphärolithe in den Hohlraum hinein.

Literatur:

PETRÀNEK, von J. (2006): Entstehung von gravitations- und adhäsionsgebänderten Achaten in Raum und Zeit und in Abhängigkeit von Klima. der Aufschluss Jg.57, Mai-Juni: 129-150

PRÜFER, P. (2005): Gedanken zur Achat-Genese. der Aufschluss Jg.56, Mai-Juni: 159-171

28. Dezember 2014

Der "Serapistempel" in der Geschichte der Geologie

Drei Säulen, am Eingang zu einem ehemaligen römischen Markt im italienischen Städtchen von Pozzuoli, spielten eine wichtige Rolle in der Geschichte der Geologie. Es sind eher unscheinbare Ruinen,  wären da nicht bis in über 7m Höhe seltsame Fraßspuren im Stein - Spuren von Bohrmuscheln. Bohrmuscheln leben im nahen Mittelmeer, doch wie ist es möglich das sie ihre Bohrgänge in die Säulen frästen - dazu müssten die Säulen zunächst auf dem Festland gebaut worden sein, dann untergetaucht und anschließend wieder emporgehoben worden sein.

Die Säulen von Pozzuoli, fälschlicherweise auch als Säulen des Serapistempels bezeichnet, sind insgesamt 48, die höchste noch erhaltene Säule ist 12m hoch, die Bohrgänge erstrecken sich in einem Gürtel zwischen 3,6 und 6,3m. Die Markthalle stand bis ins Jahre 205 n. Chr., verfiel danach und wurde bis in einer Höhe von dreieinhalb Meter von Schutt bedeckt. Sie wurde zumindest einmal von Meerwasser bedeckt, danach angehoben und steht heute wieder teilweise unter Wasser.
 
Abb.1. Grundriss der römischen Markthalle von Pozzuoli, Schema einer Säule und veraltete Rekonstruktion der Absenkung und Hebung in den letzten 2.000 Jahren, aus MEDWENITSCH 1967. 

Zwischen 1830-33 publizierte der schottische Geologe Charles Lyell sein Werk "Principles of Geology", in dem er argumentierte, das die Oberfläche der Erde nicht durch plötzliche (zumeist unbekannte) katastrophalen Ereignisse geformt worden war, sondern durch die graduelle Wirkung von auch heute beobachtbaren Phänomenen. Die Säulen von Pozzuoli waren ein wichtiges Argument für die Theorie des "Aktualismus" - so wichtig, dass sie in Lyell´s Werk sogar auf den Innenumschlag abgebildet wurden, die erste Abbildung im gesamten 3-bändigen, Werk. Die Bohrmuschelgänge bewiesen nicht nur gewaltige vertikale Erdbewegungen in der Vergangenheit (mindestens bis zu 7m), sondern das die Säulen dabei aufrecht stehen blieben wies darauf hin, dass diese Bewegungen langsam, aber konstant, abliefen. Lyell konnte sogar die Ursachen dieser tellurischen Bewegungen in Pozzuoli erklären. Erst um 1538 war bei einer Eruption der 123m hohe Schlackenkegel des Monte Nuovo entstanden, die Gegend war eindeutig vulkanisch noch aktiv und durch Aufstieg von unterirdischem Magma angehoben worden. 

Allerdings war dies nicht die einzige Arbeitshypothese.

In 1786 hatte Johann Wolfgang von Goethe Pozzuoli besucht und als überzeugter Anhänger des Neptunismus, für den vulkanische Aktivität nur ein unbedeutendes lokales Phänomen war, war die Rolle die Lyell dem Magma bei der Bewegung der Erdkruste - vielleicht gar bei der Entstehung von Bergen - zubilligte ein rechter Dorn im Auge. Er schlug daher eine alternative Erklärung vor. Die Bohrmuscheln hatten demnach in Lagunen gelebt, die zeitweise durch Schutt aufgestaut worden waren, wobei auch die Ruinen des Serapistempels überflutet worden waren. 

 
Abb.2. aus J.W. von Goethe "Tagebuch der italienischen Reise 1786".

Allerdings verlor der Neptunismus zunehmend an Bedeutung, da immer mehr Hinweise darauf schließen ließen das vulkanische Aktivität eines der wichtigsten Elemente der Erddynamik waren.
 

Was Lyell noch nicht wissen konnte, die Bewegungen die durch aufsteigendes Magma verursacht werden sind überraschend schnell und erfolgen unregelmäßig. Neueste Datierungen deuten hin, dass die Säulen zwischen dem 5. und 15. Jahrhundert dreimal (nicht nur einmal wie in den älteren Rekonstruktionen) für einige Jahrzehnte ins Wasser tauchten und dann wieder emporgehoben wurden. Auch der Mechanismus der Bewegungen ist komplizierter als gedacht. Austeigendes Magma hebt  nicht etwa den Boden an, sondern Fluide aus dem Magma erhitzen das Grundwasser, das sich daraufhin ausdehnt und den Boden anhebt. Da die Grundwasserleiter sich über eine große Fläche erstrecken, kann das Wasser aber auch rasch wieder abströmen und der Grund senkt sich (geologisch gesehen) rasch wieder.

Literatur:

MEDWENITSCH, W.(1967): Zur Geologie der süditalienischen Vulkane Exkusionsführer. Mitteilungen der Geologischen Gesellschaft in Wien. Band 59, Heft 1: 120 +Farbtafeln
RUDWICK, M.J.S. (2008): Worlds before Adam - The Reconstruction of Geohistory in the Age of Reform. The University of Chicago Press: 614.

20. Dezember 2014

Geo-Mythologie: Die Goldameisen des Herodot

In allen Kulturen spielten - vor allem vor dem Aufkommen des naturwissenschaftlichen Weltbildes - mündliche Überlieferungen eine wichtige Rolle um Naturerscheinungen zu erklären. Es gibt drei Stufen von Erzählungen:
  • Märchen sind reine Fantasiegeschichten, die sich weder zeitlich noch lokal festmachen lassen.
     
  • Legenden beinhalten einen wahren Wert, darüber hinaus enthalten sie aber auch eine religiöse Komponente, klassische Beispiele sind Geschichten von Heiligen, die mit vorbildhaften Lebensläufen oder Wunder der religiösen Bedeutung der Erzählung Nachdruck verleihen.
     
  • Sagen und Mythen enthalten einen höheren Realitätsanspruch, es spielen Menschen, Orte und Gegebenheiten der jeweiligen Zeit eine Rolle. Oft haben sie ihren Ursprung in einer verbürgten historischen Begebenheit.
Die Geo-Mythologie versucht geologischen Phänomene oder Ereignisse, die hinter einem Mythos stehen könnten, zu ergründen und die Geschichte hinter einer Sage zu erforschen.

 "Allemsig müsst ihr sein, ihr Wimmelscharen; nur mit Gold herein! Den Berg lasst fahren!"
- so singt der Chor der goldsammelnden Ameisen im Faust - Der Tragödie zweiter Teil (1825-31). Autor und Geologe Johann Wolfgang von Goethe greift hier in seinem Werk eine sehr alte Sage auf.
 
Bereits der Grieche Herodot (~490-424 v. Chr.) berichtet über goldsammelnde Ameisen, von wo der Mythus rasch in die  griechische und römische Kultur übergeht, z.B. beim römischen Naturforscher Plinius d. Ä. (~23-79 n. Chr.). Laut Herodot gibt es in einem abgelegenen Landstrich von Indien Ameisen, kleiner als Hunde, aber größer als Füchse, die beim Graben ihrer Baue und Nester auch Gold zutage fördern. Während den heißesten Stunden des Tages verkriechen sich die Ameisen in ihren Bauten, die Einheimischen nutzen die Gunst der Stunde und sammeln das goldhaltige Gestein, müssen aber auf der Hut sein, da die Ameisen, falls sie den Diebstahl bemerken, sofort die Verfolgung aufnehmen würden. 
Wahrscheinlich hat Herodot selber diese Erzählung vom griechischen Geografen Hekataios von Milet (560-480 v.Chr.) übernommen. Über byzantinische und karolingische Quellen erreicht der Mythus schließlich das Mittelalter und reicht sogar bis in die Neuzeit (z.B. scheint er noch bei Georgius Agricola, 1494-1555, auf). 

Über den eigentlichen Ursprung dieser Sage wurde lange gerätselt. In 1799 formulierte Graf von Veltheim eine erste Theorie um den seltsamen Vergleich zwischen Ameisen und Füchse zu erklären. Im ehemaligen Tartarenreich (Grenzgebiet von Tibet und China) wuschen Gefangene das Gold nicht mit den üblichen Gamsfell, sondern mit Fuchsfellen aus dem Schlamm. Die Füchse wurden nahe der Minen regelrecht gezüchtet und ihre zahlreichen Baue hätten einem Beobachter wahrscheinlich an die zahlreichen Zugänge eines Ameisennest erinnert.
 
Eine andere Erklärung liegt möglicherweise in einem Übersetzungsfehler. In Der altaischen Sprache, die in goldhöffigen Gebieten des Himalaya gesprochen wird, klingt die Bezeichnung für Murmeltier ähnlich dem Sanskrit für Ameise bzw. Gold (!). Die Beschreibung von grabenden Murmeltieren, die vielleicht goldhaltigen Sand zutage brachten, könnte so zum Bild von der goldgrabenden Ameise geführt haben. Auch wird im Persischen das Murmeltier als "Bergameise" bezeichnet, und Herodot könnte einfach diese Bezeichnung übernommen haben.
Tastächlich konnte der französische Ethnologe Michel Peissel, unterwegs im Hindus-Gebiet, in den 90' Jahren beobachten wie Murmeltiere (Marmota borak) in goldhaltigen Sand ihre Grabtunnel anlegten und die Einheimischen versicherten ihm, dass man im Auswurfsmaterials Gold finden konnte.
 
Doch es scheint, dass im Mythos von goldgrabenden Ameisen doch noch ein Körnchen Wahrheit steckt.
 

"Ant Hill Garnets" sind nach der Fundmethode benannt und stammen vorwiegend aus Arizona. Die Ameisen dort transportieren die Granate, die sie beim Graben ihres Baues im Sediment vorfinden, außerhalb ihres Baus und so an die Oberfläche, wo Regen sie am Fuß des Ameisenhügels zusammenschwemmt. Auch wenn Ameisen in der Lage sind große Lasten zu transportieren, umgraben sie größere Steine und selektieren Körner die ungefähr bei einem Gewicht um 1 Karat (0,2g) liegen. Ameisen als Prospektoren wurden auch dazu benutzt um Lagerstätten von Diamanten und Olivin (interessant als Indikator für Kimberlit-Gänge, die Diamanten-führend sein können) aufzufinden - und anscheinend können sich die emsigen Arbeiter auch für Goldnuggets interessieren.


 

Nicht nur Geologen, auch Archäologen können von grabenden Tiere profitieren. Maulwürfe graben bis zu 200 m lange Gänge und erreichen eine Tiefe unter der Erdoberfläche von bis zu 1m. Als 2008 der deutsche Archäologe Günther Wieland im Grösseltal (Baden-Würtemberg) Maulwurfshügel untersuchte, fand er im Auswurf Schlacken von Eisenerzen. Eine anschließende Grabung konnte keltische Verhüttungsöfen, um die 2.500 Jahre alt, nachweißen. Von Maulwürfen zutage gebrachte rotgefärbte Erde kann durch Hitzewirkung von Feuer und Öfen stammen, Holzkohlestücke können auf eine Kulturschicht hinweisen.
Allerdings gilt eine Einschränkung - Maulwürfe bevorzugen nicht zu feuchte und zu trockene Böden.

 
Literatur: 

OKROSTSVARIDZE, A.; GAGNIDZE, N. & AKIMIDZE, K. (2014): A modern field investigation of the mythical “gold sands”of the ancient Colchis Kingdom and “Golden Fleece” phenomena. Quaternary International, In Press: 9
REIMER, T. (2005): Kleiner als Hunde, aber größer als Füchse. Die Goldameisen des Herodot. Nodus Publikationen, Münster : 292