20. Mai 2015

Krieg, Tod und Hungersnot - Vulkane und die „böse Zeit“

Die Kleine Eiszeit war durch ein generelles kühleres Klima gekennzeichnet. Kaltes und nasses Wetter war die Regel, dazu kam es im 17.-18. Jahrhunderts wiederholt zu Extremwetterereignissen, die ihrerseits zu Missernten führten.
Der deutsche Schriftsteller Wilhelm Raabe verarbeitet in seinem Roman „Die Chronik der Sperlingsgasse“ (1854) diese Zeit und schreibt:

Auf der Ferne liegen blutig dunkel die Donnerwolken des Krieges, und über die Nähe haben Krankheit, Hunger und Not ihren unheimlichen Schleier gelegt – es ist eine böse Zeit.“


 
Abb.1. Vier Dinge verderben ein Bergwerk - Krieg, Tod, Teuerung und Unlust - Darstellung aus dem Schwazer Bergbaubuch (1556). Tatsächlich folgten auf viele historische Vulkanausbrüche klimatisch instabile Zeiten, die wiederum eng mit Kriegen, Hungersnöte, Seuchen und Revolten zusammenfallen.

Spielten dabei Vulkane eine Rolle?

Anfang Juni 1783 brachen die isländischen Vulkane Hekla und Laki aus, die Wolken aus vulkanischen Gas und Asche wurden selbst in Mitteleuropa bemerkt, da sie die Sonne verdunkelten. Der folgende Winter 1783/84 war besonders hart mit ergiebigen Schneefällen, plötzliches Tauwetter Anfang März verursachte Überschwemmungen entlang der deutschen Flüsse. Das wechselhafte Wetter verursachte überall Ernteausfälle und Not.

Anfang April 1815 brach der Tambora auf der Indonesischen Insel Sulawesi aus, eine der stärksten Eruptionen in historischen Zeiten. Schwefeldioxid aus dem Vulkan verband sich mit der Luftfeuchtigkeit zu Schwefelsäure-Aerosole, die jahrelang in den höheren Schichten der Atmosphäre verbleiben sollten und die Sonneneinstrahlung, und somit das Wetter, erheblich beeinflussten.

Prompt spielte im folgenden Jahr das Wetter verrückt. Aus dem Königreich Württemberg wird aus dem Jahre 1816 berichtet, das „Mai und Juni fast täglich Regen und Gewitter, sodass die Äcker versoffen und Weinberge rutschten.“ Das nasse Wetter führte zu erheblichen Ernteeinbußen.
Zeitzeugen berichten von großer Not und Teuerung der Lebensmittel, es wurde sogar Mäusefleisch als Nahrung verkauft. Das Brot wurde immer kleiner, teurer und schlechter, aus Hafer und Kleie gebacken und mit Brennessel und Heublumen gestreckt. Bier wurde so teuer das es für lange Zeit überhaupt nicht mehr gebraut wurde. Die Sterblichkeit stieg deutlich an und 1817 wütetet eine Typhusepidemie im Tiroler Raum.
In Tirol war das Wetter mit 58 Regentagen extrem feucht, 1816 wurden im Sommer nur sieben schöne Tage gezählt und es schneite wiederholt ins Tal hinab. Es war der kälteste Sommer seit 1777, seit Beginn der Temperaturmessungen, mit einem Durchschnittstemperatur von 14,3°C (4,9°C kühler als der heutige Durchschnitt). Der folgende Winter war hart und der Schnee blieb weit bis in den Mai 1817 auf den Feldern liegen. Aber im Laufe des Jahres stabilisierte sich das Wetter und zum Glück war die Ernte ausreichend.


Abb.2. Historische Vulkanausbrüche und Klimaveränderungen rekonstruiert aus Grönländischen Eisbohrkernen (nach GAO et al. 2008, SCHMINCKE 2004, BÜNTGEN et al. 2011).

Aber zwischen August 1852 und Mai 1853 brach der Ätna auf Sizilien aus und wieder kam es zu Problemen mit der Grundversorgung. Der Groschenkipf, ein Semmel aus Weizenmehl der für einen Groschen zu haben war, schrumpfte zwischen 1849 und 1854 auf unter die Hälfte. 

Diese Hungersnot war auch eine der letzten in Europa die auf klimatischen Ursachen zurückzuführen ist.*
Die großen Hungersnöte des 20. Jahrhunderts fallen zeitlich mit den großen Weltkriegen zusammen, hier spielte jedoch der menschliche Wahnsinn die entscheidende Rolle. Das Klima erlaubte normale Ernteerträge, aber die Ernte wurde für die Soldaten beschlagnahmt, während die Versorgung der Zivilbevölkerung immer schwieriger wurde. Armeen zerstörten Felder und Wiesen, Arbeitskräfte gingen verloren, Lasttiere getötet oder geschlachtet – der technisch geführte Krieg sollte noch auf Jahre hinaus große Not verursachen.

*Im Jahre 2010 führten Wetterkapriolen zur Teuerung von Getreide. In Russland herschte Dürre, in Europa war das Wetter zu nass, im Schnitt gab es Einbußen von 20% im Vergleich zum Vorjahr, dies führte zu einem Preisanstieg von 40-70%.

Literatur:

 
BÜNTGEN, U. et al. (2011): 2500 Years of European Climate Variability and Human Susceptibility. Science Vol. 331: 578-582 

GAO, C.; ROBOCK, A. & AMMANN, C. (2008): Volcanic forcing of climate over the past 1500 years: An improved ice core-based index for climate models. Geophysical Research Letters: Vol.113: 1-15
MILLER, G.H. et al (2012): Abrupt onset of the Little Ice Age triggered by volcanism and sustained by sea-ice/ocean feedbacks. Geophysical Research Letters: In press
SCHMINCKE, H.-U. (2004): Volcanism. Springer, Berlin-Heidelberg: 324

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