24. September 2015

Erdexpansion, oder die Geschichte der "wachsenden Erde"

daß unser Erdkörper ehedem im Brande gestanden, da die meisten Felsengebirge über die Oberfläche der Erde empor getrieben worden,“
Heinrich Gottlob von Justi „Geschichte des Erdkörpers aus seinen äußerlichen und unterirdischen Beschaffenheit hergeleitet und erwiesen" (1771)
 
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde es klar das die Erdkruste keine statische Hülle der Erde, sondern etwas höchst Dynamisches ist, wie sonst konnten Sedimente mit Fossilien von Meeresorganismen selbst auf die höchsten Gipfel geschoben werden?  

Eine der seltsameren Theorien diese geologischen Besonderheiten zu erklären ist die Erdexpansion-Hypothese. Bei der Erdexpansion werden die Spreizungszonen der Mittel-Ozeanischen Rücken akzeptiert, Subduktionszonen sollen aber – wörtlich - „ein Mythos“ sein. Folgerichtig, da Erdkruste immer neu entsteht aber keine in den Mantel zurückgelangt, muss der Erdball wachsen.
 
Auf die Idee kam man hauptsächlich durch paläontologische und paläogeographische Hinweise. Zwischen 1959 und 1977 publizierten die Geologin Marie Tharp (1920-2006) und der Ozeangraf Bruce Charles Heezen (1924-1977) die ersten detaillierten Meeresbodenkarten und entdeckten die Mittel-Ozeanischen Rücken (MOR), die die Grenzen tektonischer Platten bilden. In 1962 publizierte Harry Hess (1906-1969) einen der wichtigsten Artikel in der Geschichte der Geologie überhaupt, er schlug vor das entlang der MOR Magma aufsteigt und dabei die beiden aneinanderstoßenden Platten zur Seite gedrückt werden – der Mechanismus der Bewegung der tektonischen Platten und Auseinanderbrechen des Urkontinents Pangäa war gefunden. Allerdings war nicht klar ob und wie die Platten in den Erdmantel eintauchen, möglich wäre das sie übereinander geschoben werden - eine nicht ganz unrealistisch Vorstellung - so rutscht tatsächlich die Farallon-Platte zunächst unter den Nordamerikanischen Kontinent entlang, sinkt allerdings schließlich in den Erdmantel ab wie moderne seismische Untersuchungsmethoden zeigen. Eine extreme Variante der Idee das Platten nicht in den Mantel absinken ging so weit das man annahm das Platten nebeneinander zu liegen kommen und daher notwendigerweiße mehr Fläche einnehmen.

So soll laut Erdexpansions-Modell Pangäa die gesamte Kruste der Erde vor 200 Millionen Jahre darstellen. Neue Kruste die entlang der MOR gebildet wird drückte Pangäa auseinander, aber da keine Subduktion stattfindet vergrößerte sich der Umfang des Planeten! Die Hypothese schien einige geologische Rätsel zu erklären. In 1956 schlug Laszlo Egyed, Professor am Geophysikalischen Institut von Budapest, vor das Meeresspiegelschwankungen in der Vergangenheit durch die Veränderung des Erdradius zu erklären sind, bzw. als im Devon die ersten Landmassen aus dem Urmeer tauchten (weil sich die Krümmung und die Oberfläche der Erde änderte, die Wassermenge aber nicht), entwickelten sich auch die ersten Landtiere.
 
Allerdings gibt es ein großes Problem mit dieser Idee - es ändert sich ja nicht nur die Oberfläche der Erde, die größer wird, sondern auch das Volumen des Erdkörpers - mit was sollte dieses zusätzliche Volumen denn bitte schön gefüllt werden? Mechanismen die die Erdexpansion erklären könnten sind deshalb rar und nicht ganz überzeugend - Umwandlung von Mineralphasen durch veränderte Druck- und Temperaturen, fortschreitende Abschwächung der Schwerkraft (und so Dichte der Erde), Raum-Zeit Expansion… 

Neben dem Fehlen des Mechanismus zeigen Satellitenmessungen auch die Bewegung der Platten in horizontale, aber nicht vertikale Richtung – zurzeit scheint die Erde also nicht (wirklich) mehr zu wachsen. Auch scheinen Subduktionszonen nicht ganz ein Mythos sein, Tiefseerinnen, die Verteilung von Erdbebenherde, metamorphe Gesteine die zunächst subduziert und dann wieder exhumiert wurden, lassen darauf schließen das Erdkruste tatsächlich in den Erdmantel abtaucht. 

Wir befinden uns im Jahre 2015 n.Chr. die ganze Erdwissenschaftler-Gemeinschaft ist von der Plattentektonik überzeugt... Alle Wissenschaftler? Nein! Ein von unbeugsamen Gelehrten bevölkerte Gemeinschaft hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten...
Noch im Mai 2001 wurde in Deutschland ein Kolloquium zu Ehren von Ott Christoph Hilgenberg (1896-1976), ein Ingenieur der die Erdexpansion in Deutschland populär zu machen versuchte, abgehalten und In 2003 und 2004 folgten weitere, auch internationale, Tagungen.

Abb.1. Das Erbe von Hilgenberg wurde vom Ingenieur  Klaus Vogel übernommen, der im Laufe der Zeit zahlreiche Globen einer um 20% kleineren Erde bastelte, neben seinen Basteleien hatte er aber wenig Fakten vorzuweißen. Das Bild zeigt ihn zusammen mit dem  australischen Geologen Warren Cray, ebenfalls prominenter Anhänger der Erdexpansion.

19. September 2015

Von den Untiefen der Meere zu den Gipfeln der Welt

Auf die Frage wieso er den Mount Everest bezwingen wolle, soll George Mallory mit dem berühmten Satz "Weil er da ist" geantwortet haben, aber es gab auch praktische Gründe  "Für die Steine vom Gipfel für die Geologen…"

George Mallory  versuchte zusammen mit Sandy Irvine am 6. Juni 1924 den Gipfel des Everest zu erreichen – beide verschwanden in den Wolken und wurde nie wieder lebendig gesehen. Zeitgleich suchte einer ihrer Kollegen, Geologe Noel Ewart Odell (1890-1987), unterhalb des Gipfels auf 8.000m nach Fossilien.

Der Kalkstein vom Gipfel des Mount Everest ist von mariner Herkunft, er besteht aus Fossilien  - wie er allerdings dorthin kommen konnte blieb bis zur modernen Entdeckung der Plattentektonik ein geologisches Rätsel.
Die Basis des höchsten Gipfels der Erde besteht aus hellem Granit, auf dem eine Abfolge von Sedimenten folgt. Die untere Everest Serie besteht zumeist aus metamorphen Schiefern mit eingeschalteten Kalkstein-Bändern. Es folgt das berühmte „Gelbe Band", das aus metamorphen Kalksteine und Kalk-Silikatfelsen besteht. Der Gipfelaufbau des Mount Everest wird schließlich von ordovizischen fossil-führenden Kalksteinen und Megeln geprägt. 

Abb.1. Der Himalaya ist beinahe doppelt so hoch wie die Alpen, viele Gipfeln beider Gebirgszüge bestehen aus ehemaligen marinen Sedimenten, aus dem Berghaus-Atlas (1845-1862).

Fossilien die auf Berge gefunden wurden waren nichts neues. Bereits Leonardo da Vinci (1452-1519) beschreibt Fossilien aus den Bergen der Toskana und merkt an das sie dorthin nicht mittels der Sintflut transportiert worden sein konnten, da sie in Lebensstellung gefunden wurden. Allerdings war seine Ansicht, die er nie publizierte, eher die Ausnahme als die Regel und das nicht nur zu seiner Zeit.
Die erste Nennung von Fossilien aus Dolomiten geht zurück in das Jahr 1741 – laut Sitzungsprotokoll vom 18. August desselben Jahres erwähnt der Stadtphysikus von Innsbruck, Franz Ferdinand von Giuliani (1701-1762), in seinem Vortrag  „Dissertatio de Fossilibus universalis Diluvii“ mehrmals Muscheln aus dem Pustertal  bzw. Pustertaler Bergen. Da das Pustertal in Südtirol selbst von metamorphen Gesteinen geprägt wird, bezieht sich diese Ortsangabe wohl eher auf die südlicher liegenden Dolomiten. Giuliani diskutiert die Fossilien auf den Bergen als eindeutige Überreste der biblischen Sündflut. Erst im Laufe des 18. und besonders im 19. Jahrhunderts werden Fossilien als marine Organismen gedeutet und es wird klar das eine weltweite, auch eine biblische,  Flut niemals die höchsten Gipfel der Erde bedecken könnte.
 

Abb.2. Geologischer Schnitt des Matterhorns, im Jahre 1868 vom Italienischen Bergbauinspektor Felice Giordano angefertigt. Hier sind marine Sedimente teilweise tektonisch überfahren worden.

Nun wurden marine Sedimente auf Gipfeln durch die Bewegungen der Erde erklärt. Leopold von Buch (1774-1835) schlug vor das vulkanische Intrusionen große Blasen auf der Erdkruste bildeten - Blasen die wir Berge nennen. Von Buchs Theorie wurde von englischen Geologen nicht allzu ernst genommen, vor allem als Charles Lyell nachweißen konnte das verschiedene Lavaflüsse verschieden geneigt waren - wie sollte das möglich sein falls ein Berg sich von einem einzelnen "Erhebungspunkt" aus bildete? 
Eine alternative, überaus erfolgreiche Theorie besagte das große Stücke der Erdkruste von unter dem Meeresspiegel nach oben geschoben wurden, zeitgleich sanken gewisse Abschnitt ab. Der österreichische Geologe Eduard Suess (1831-1914) erklärte sogar Meeres-Untiefen, die Kontinente umgeben, als solche Senkungszonen (Diese Abschnitte sind tatsächlich die Tiefseerinnen die durch die Subduktion der ozeanischen Kruste unter die kontinentale Kruste entstehen).

 
Abb.2. Handgezeichnete Karte der Erde mit den primären Kernen der Kontinenten - Überreste der früheren Erdkruste einer größeren Erde, aus E. Suess "Das Antlitz der Erde".

Die vertikalen Bewegungen bzw. Absenkungen der Erdkruste sollten durch das langsame Abkühlen der Erdkugel, und damit verbunden ein Schrumpfen des Erdvolumens, verursacht werden. Diese Kontraktionstheorie konnte aber nicht die unregelmäßige Verteilung von Gebirgen und Ozeanen erklären - bei einer konstant schrumpfenden Erde sollten diese zufällig und daher regelmäßiger verteilt sein. Es brauchte eine bessere Erklärung…

Literatur:

SEARLE, M. (2013): Colliding Continents: A geological exploration of the Himalaya. Oxford University Press: 438

17. September 2015

Streitgespräch um den Bergbau

Abb.1. Silber-Bergwerk am Schneeberg, Schwazer Bergbaubuch um 1556.

Die Erde trägt ja Jahr für Jahr Früchte, mit denen sie alle Lebewesen ernährt und erhält. All das gilt letzten Endes nur einem: allein um des Menschen willen bringt sie das alles hervor. Aber mit dieser Güte nicht zufrieden, dringt der Mensch in die Eingeweide seiner Mutter ein, er durchwühlt ihren Leib, verletzt und beschädigt alle inneren Teile. So zerfleischt er schließlich den ganzen Körper und lähmt dessen Kräfte völlig … Ihre Gier nach Silber geht ja so weit, daß sie alles, auch die schwersten Gefahren auf sich nehmen. Sie graben und mühen sich und machen Nachtschichten; weder bei Tage noch bei Nacht gönnen sie sich Ruhe. Sie meiden das segenspendende Licht des Himmels und kriechen hinab in die finstere schmutzige Tiefe der Erde.“ 

Die Erde jedoch, die den Namen einer Mutter des Menschen für sich in Anspruch nimmt und immer ihre Mutterliebe im Munde führt, versteckt und verbirgt es zutiefst in ihrem Inneren, so daß sie ersichtlich eher den Namen einer Stiefmutter als den einer wirklichen Mutter verdient…. Daß alles Erz zum Nutzen der Menschen wächst, weshalb es denn nötig ist, zu suchen und dem mit größter Sorgfalt nachzuspüren, was uns deine Gnade gespendet hat, die Erde aber aus Mißgunst verborgen hält.“ 

Streitgespräch aus „Judicium Jovis“ (Das Urteil des Jupiter) von Paul Schneevogel, wahrscheinlich um 1485-90. In einem fiktiven Rechtsstreit diskutieren Mutter Erde und der Mensch vor den versammelten Göttern die Notwendigkeit des Bergbaus. Das Urteil des obersten Richters – Jupiter selbst – bemerkt lapidar:

Es ist die Bestimmung der Menschen, daß sie die Berge durchwühlen; sie müssen Erzgruben anlegen...Ihr Leib aber wird von der Erde verschlungen, durch böse Wetter erstickt...“ 

Literatur: 

BAYERL, G. (2013): Technik in Mittelalter und Früher Neuzeit. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart: 199