30. April 2016

Kunst & Geologie: Der Hexensabbat

Laut Legende soll in der Walpurgisnacht der Hexensabbat nebst der Wilden Jagd stattfinden.

Abb.1. Francisco de Goya, Hexensabbat (1797-98).

Der Begriff der  Wilden Jagd wird zuerst in 1835 von den Gebrüdern Grimm schriftlich festgehalten und beschreibt den unheimlichen Zug von Hexen oder Untoten zu den verfluchten Treffpunkten. 

Einer dieser Treffpunkt ist der Schlern (2.563m) in den Südtiroler Dolomiten. Der Schlern ist ein ehemaliges Riff das sich über vulkanische Gesteine erhebt, der Gipfel wird von einem breiten Hochplateau eingenommen, das übrig blieb als der überdeckende Hauptdolomit abgetragen wurde. Das Hochplateau wird seit mindestens der Bronzezeit genutzt, es verwundert daher nicht das auch zahlreiche Sagen hier angesiedelt sind.

Abb.2. Der Schlern.

In den vulkanischen Gesteinen können typische Abkühlungsstrukturen gefunden werden – Basaltsäulen. Die sechseckigen Querschnitte werden in den lokalen Sagen als „Hexenstühle“ bezeichnet, da sie – so die Sage weiter – während bestimmter Nächte als Sitzgelegenheiten für Hexen und Dämonen dienen.

Abb.3. Die sogennanten Hexenstühle der Seiser Alm.

Bohnerz, das auch hier gefunden wird da es aus den überlagernden Sedimentgesteine herauswittert, wurde auch in die Sage mit eingebunden. Die eisenhaltigen Konkretionen sind die Nägel die aus den Schuhen der tanzenden Hexen herausgefallen sind.

Literatur:

HUTTON, R. (2014): The Wild Hunt and the Witches' Sabbath. Folklore 125(2):161-178

17. April 2016

Naturgefahren, Mythos und Kult in den Alpen

Die großen Ereignisse in den Alpen kommen aus dem Kult, aus der großen Angst vor den Bergen, den Gefahren, den Bedrohungen. Überall schlägt der unbarmherzige Bergtod zu, reißt seine geliebten Murbrüche aus allen Steilhängen und Runsen, lockt die wunderschönen weißen Todeslawinen aus den offenen Steilhängen, und sie jauchzen zu Tal, immerfort das Verderben hinter sich herziehend. Wehe, wehe den darunter wohnenden Lebewesen, den Menschen, Schafen, Ziegen, Bergböcken, Gemsen…[]… Zur Abwendung drohender Gefahren haben sich die Menschen ihre kultischen Spiele ausgedacht, meist sinnlose Ablenkungsmanöver, kleine Beschwichtigungsversuche angesichts der übermächtigen Kraft dort oben, ganz oben, auf den Graten und Abbruchstellen, den Karen und Murensammelstätten...[].
Also haben die kleinen Menschlein ihre Ablenkungsspielchen ersonnen, ganz und gar harmlose Menschenzaubereien
.“
HAID, H. (1990): Mythos und Kult in den Alpen.

Naturgefahren haben schon immer das Leben und Gut der Alpenbewohner bedroht. Zahlreich sind die überlieferte Katastrophen, Bergstürze, Lawinen, Überschwemmungen und Unwetter. 
Naturkatastrophen wurden als von einer höheren Macht (sprich "Gott") gesandt oder zumindest (zeitweise) tolerierte Ereignisse angesehen, zahlreich sind die Legenden von Hexen die „Wetter machen“ und Dämonen die Muren verursachen. Auch, oder vielleicht besonders, waren Gletscher gefürchtet. Der Schweizer Naturforscher Horace-Bénédict de Saussure (1740-1799) schreibt „Ich selbst habe in meinen Kindertagen Bauern behaupten hören, der ewige Schnee sei ein Fluch, der auf den Bergbewohnern zur Strafe für ihre Frevel laste.
Zahlreich sind auch die Bräuche die versuchen diese Naturkräfte zu bändigen.

Auch Mythen wiederspiegeln geologische und klimatologische Ereignisse in den Alpen wieder. Die Fanes-Sage ist ein Epos der Ladiner, der ursprünglichen Bewohner der Dolomiten



Einst, so die Erzählung, verriet der König der Fanes sein Volk an die verfeindeten Cayutes, wobei das Reich zerstört wurde. Der König wurde versteinert und wartet am Falzarego Pass ("el fausto rego" – der falsche König) noch heute auf den versprochenen Lohn für seinen Verrat. Die Königin dagegen wartet im Reich der Murmeltiere auf die „verheißene Zeit“, wenn das Reich der Fanes wieder auferstehen wird.
 

Abb.1. Das Parlament der Murmeltiere auf der Fanes-Hochfläche.

Möglicherweise wiederspiegelt diese Sage eine klimatische Veränderung seit der Bronzezeit wieder – als die verkarsteten Hochflächen grün und fruchtbar waren. Am Castel del Fanes wurden Spuren einer Wallburg entdeckt. Als das Klima harscher wurde mußten die Hochlagen aufgegeben werden, nur die Sage erinnert an die ehemaligen "goldenen Zeiten" und das sich das Klima auch wieder ändern kann, wie die verheißene Zeit verspricht.

Giulio Battesta Spescha (1752-1833) schreibt in seinem Buch "Das Clima der Alpen" (1818) „Zufolge meiner 35jährigen Beobachtungen (1783-1818) sind die Schweizerischen Alpen seit einer Reihe von Jahren, vorzüglich aber seit dem Jahre 1811 fortwährend rauer geworden. Diese meine Ansicht wird durch folgende Beobachtungen unterstützt und bestätigt.1. Viele Alpen, welche ehemals Weidegänge darboten, sind seitdem mit Schnee und Eisbedeckt worden. 2. Der Holzwuchs hat sich in den Alpen erheblich gemindert. 3) Die Eis- und Schneemassen haben sich beträchtlich angehäuft und sind stark talabwärts gegangen… Etwa vor 30 Jahren erstieg ich den Piz Muraun [2899m] zwischen dem Medelser- und Sumvixertal. Sein Gipfel war damals mit Gras und Blumen bewachsen, ist aber jetzt seit mehreren Jahren mit Schnee bedeckt.

Die erste bekannte Gletscherdastellung überhaupt wurde um 1601 von Abraham Jäger angefertigt, als nämlich der Gletschersee, der durch den Vernagtferner aufgestaut wurde, das Ötztal gefährdete. Dieser Gletscher wurde anschließend so bekannt, dass er schon bald zum Ersten Mal auf einer Karte des Kartograph Warmund Ygl, um 1605 herausgegeben, auftaucht. Ygl zeichnet eine weiße Masse ein, die die Bergsignatur überdeckt ein, mit der Beschreibung „Der Groß Verner – Glacies continua et perpetua“. Diese Darstellung im Kartenwerk wird von zahlreichen späteren Kartographen, wie Matthäus Merian (1649), übernommen werden.
Im zur Karte gehörenden Kommentar erwähnt Ygl: „Jenes verhärtete Eis ist zusammenhängend und dauernd; unter ihm entspringen im Umkreis zahlreiche Gewässer, die sich in die verschiedenen Richtungen ergießen (die teils vom Inn, teils von der Etsch aufgenommen werden). Es macht hier zahlreiche und tiefe Spalten, die, wenn sie nicht offen liegen, weil vom Schnee verdeckt, die darüber Gehenden in Lebensgefahr bringen. Bauern, Bergleute und Jäger pflegen nämlich im Sommer in der Richtung von Tal zu Tal über jenes Eisgebirge zu gehen.“

Zum Vernagtferner wurden im Lauf der Zeit zahlreiche Prozessionen unternommen um mittels göttlichen Segens einen Seeausbruch abzuwenden.

Ein weit verbreitetes Motiv ist der Gletscher als übernatürliche Strafe auf einen Frevel gegen Mensch oder/und die Natur. Einst, wo sich heute die Pasterze in den Hohen Tauern erstreckt, gab es ein weites Tal mit einer herrlichen Alm. Kühe und Milch gab es reichlich und so wurde jeden Tag ein Fest gefeiert. Eines Tages nutzen die Bauern die Buttervorräte als Kugeln und die Käselaibe als Kegel für ein Spiel. Doch als ein armer Musiker um etwas Käse und Brot bat, wurde er harsch abgewiesen. Daraufhin entfesselte sich ein schreckliches Gewitter und im Sturm erstarrten in kürzester Zeit Mensch und Tier zu Eis. 

Unter dem Vernagt Ferner liegt eine Stadt aus Gold verborgen. Laut Legende wuchsen in der Nähe der goldenen Stadt Dananä, auf über 2.500 m Seehöhe gelegen, Weinreben.  Doch zur Strafe für den Geiz der Bewohner wurde die Stadt vom Vernagtferner überdeckt. und auch das Mer de Glace und die Marmolata überdeckten heute einst fruchtbares Land. 
 

Auch im Schweizer Lötschental soll Obst- und Weinbau bis in große Höhe möglich gewesen sein - nur die Sommer waren oft zu trocken.  Daraufhin riet ein Zauberer man sollte Eis von sieben verschiedenen Gletschern ins Tal bringen, die das Tal abkühlen sollten. Doch bald begonnen die Eisstücke zu wachsen und bald wurde das Tal vom neuen Gletscher verschlungen.
Im Österreichischen Tuxer Tal erklären verschiedene Sagen-Versionen die „gefrorene Wand“. Dort stand vor langer Zeit die schönste Alm im Tal, die aber einen rechten Geizhals und Menschenschänder gehörte. Einst arbeitete er am Vorabend von „Hoachn Frauenabnd“ (Maria Himmelfahrt), trotz des Brauches den Gesinde eine freien Tag zu gönnen. Ein heftiger Sturm zog auf, und als die Leute am nächsten Tag zurückkamen lag auf der Alm eine Schicht von Schnee und Eis.
 

Möglicherweise spiegeln auch sich in diesen Mythen tatsächliche Begebenheiten wieder, nämlich eine verlängerte Wärmephase in der ersten Hälfte des Holozäns und die Gletschervorstöße während der Kleinen Eiszeit.

Literatur:
BEIMROHR, W. (2008): Warmund Ygl und seine Karte von Tirol. Tiroler Landesarchiv
JÄGER, G. (2004): Almen und Gletschervorstöße in der Tiroler Geschichte und Sagenwelt (Teil 2). Der Alm- und Bergbauer, Nr. 1-2: 25-28
SCHARFE, M. (2007): Berg-Sucht – Eine Kulturgeschichte des frühen Alpinismus 1750-1850. Böhlau Verlag, Köln-Weimar: 382
LEITNER, U. (Hrg.) (2014): Berg & Leute – Tirol als Landschaft und Identität.