13. Juli 2016

Bäume als Archivare der Vergangenheit

"De róba véyes
e de prúmes témpes
ay ó aldí
e vó kunté bayédes!

Von alten Dingen
und von alte Zeiten
habe ich gehört
und will ich nun erzählen
."
Spruch der ladinischen Cantastóries (Erzähler)

Mittels Baumringe können Altersbestimmungen vorgenommen werden, aber Baumringe verraten auch Klimadaten (Temperatur und Niederschlag) und es können Brände, Erdbeben und mechanische Beschädigungen (Steinfall, Gletschervorstoß), Grundwasserschwankungen und Schädlingsbefall rekonstruiert werden. Zwar gibt es Beispiel für Jahresringe bereits im Permokarbon, aber erst seit dem Jura (seit ca 210-184 Millionen Jahre) weist das Holz von Nadelbäumen regelmäßig Jahresringe auf.
 
Abb.1. Stammquerschnitt einer Fichte.

Leonardo da Vinci (1542-1519) war einer der ersten Naturinteressierten der beobachtete das Bäume in der Umgebung von Ravenna jährlich einen Wachstumsring ausbilden und dass in trockene Sommer nur enge Ringe angelegt werden. Karl von Linné (1707-1778) zeigte auf das kalte Sommer in Nordschweden ein verlangsamtes Baumwachstum zur Folge haben.
Der Mathematiker und Astronom Andrew Ellicott Douglass (1867-1962) schlug vor das Sonnenflecken-Zyklen das Wetter beeinflussen konnten und damit auch das Wachstum von Bäumen. Durch das Vermessen von Baumringe (Douglass sammelte tausende von Baumringreihen) könnte das Klima und die Sonnenaktivität über lange Zeiträume und auf das Jahr genau rekonstruiert werden – ein breiter Jahrring weißt auf ein feuchtes Jahr hin, ein dünner Ringe dagegen auf eine Dürre (~2,5cm beträgt die mittlere Jahresringbreite in den gemäßigten Zonen).  Die erste geomorphologische Anwendung wurde durch R.H. Finch in 1937 versucht, der damit die vulkanische Tätigkeit der Cinder-Cone-Vulkanfelds in Kalifornien datierte.


Einzelne Bäume, wie die amerikanische Grannenkiefer, können bis zu 4.600 Jahre alt werden, auch europäische Arten wie Zirbe, Lärche, Eibe, Eiche und Linde gelten als langlebig, erreichen aber nur in Einzelfälle Alter um die 1.000 Jahre.
Jahrringkalender, zusammengesetzt aus zahlreichen beprobten Stämmen, reichen heutzutage für die westamerikanische Grannenkiefer um die 8.300 Jahre zurück, in Europa wurden mittels Eichen bis 7.938 v.Chr., mittels Föhren bis 11.000 Jahre lange Zeitreihen erstellt.  Im Alpenraum - an der Waldgrenze wo das Klima besonders harsch ist – zeigt die maximale Dichte des Spätholzes eine gute Übereinstimmung mit der durchschnittlichen Sommertemperatur auf. Mittels der Baumringanalyse ist die Rekonstruktion der Sommertemperatur auf bis zu +-1°C möglich. Selbst die klimatischen Nachwirkungen eines Vulkanausbruchs lassen sich nachweisen,so zeigen Zirben auf dem Patscherkofel bei Innsbruck das Jahr ohne Sommer 1816, nach dem Ausbruch des Tambora in 1815, durch sehr schmale (unter 0,5mm Breite) Ringe an

Allerdings hat die Methode auch Grenzen. Die verschiedenen Baumarten reagieren unterschiedlich auf Veränderungen, so gilt ein Jahrringkalender immer nur für die entsprechenden Baumart. Fichten reagieren schneller auf Temperaturveränderungen, während Tannen eher auf Änderungen des Wasserhaushalts reagieren. Auch findet das Wachstum in den gemäßigten Klimazonen von März bis Oktober statt, Aussagen über das Klima im Winter sind mit dieser Methode daher kaum möglich. Baumringe werden von mehreren Faktoren zeitgleich beeinflusst, wie  Temperatur, Niederschlag, Verfügbarkeit von Wasser im Boden, und noch ist nicht ganz klar wie die einzelnen Faktoren sich gegenseitig beeinflussen können. So zum Beispiel kann Trockenheit auf mehrere Jahre hin das Wachstum beeinflussen und eventuelle Auswirkungen von Temperaturveränderungen abschwächen oder verfälschen.

Eine Kuriosität betreffend Klima und Jahresringe: Das Holz der Bäume im ausgehenden 17. Jahrhundert war von hervorragender Qualität für Instrumentenbau dank einer Kältephase die von 1645 bis 1715 dauerte. Das kühle Klima ließ die Bäume besonders langsam wachsen, das Holz war daher sehr dicht und die Jahresringe lagen eng und gleichmäßig nebeneinander, was sich auf die Resonanz des Klangkörpers der Geige positiv auswirkt. So hat das Fichtenholz einer Stradivari-Geige hat fast 220 Jahresringe, heutzutage haben Bäume im Schnitt nur 180 Ringe auf einer vergleichbaren Messstrecke.

Literatur:

POKORNYA, A. (1867): Über den Dickenzuwachs und das Alter der Bäume. Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien, Nr. 6: 209-233
TESSIER, L.; GUBAL, F. & SCHWEINGRUBER, F.H. (1997): Research strategies in dendroecology and dendroclimatology in mountain environments. Climatic Change. Nr.36: 499-517

WILES, G.G. et al. (1996): Tree-ring analysis and Quaternary geology. Principles and recent applications. Geomorphology 16: 259-272

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